„Jamaika nimmt Konturen an”
So lautete eine Schlagzeile in meiner heutigen Tageszeitung.
Wow! Dachte ich. Die arbeiten offenbar mit Hochdruck daran, sich auf inhaltliche Kompromisse zu einigen. Wo uns doch Grüne und FDP noch am Wahlabend partout keine Hoffnungen auf eine karibische Koalition machen wollten. Wegen zu unterschiedlicher politischer Vorstellungen in vielen Bereichen. Vor allem die Ein-Mann-Partei Christian Lindner trat ordentlich auf die Bremse. Der hatte ohnehin schon vorher postuliert, dass seine FDP nicht unbedingt die Regierungsverantwortung anstrebe. Geschweige denn er selbst einen Ministerposten. Und jetzt reden sie schon miteinander darüber, wie sie gemeinsam die zukünftige Politik in Deutschland gestalten wollen. Respekt! Dachte ich.
Tja, falsch gedacht. Zu früh gefreut. Wie konnte ich nur so blauäugig sein! Die Konturen, die Jamaika laut Titelzeile annimmt, sind nämlich leider gar nicht inhaltlicher Art. Es geht nur um die Verteilung von Ämtern und Posten.
Willkommen also wieder mal im Land des Lächelns! Da waren wir doch schon, oder? Bzw. Andrea Nahles. Am Wahlabend. Sie lächelte damals verträumt wie ein Honigkuchenpferd, während neben ihr die versammelte Parteiführung aussah, als ob der SPD gerade der Titel „Volkspartei” aberkannt worden war. Ok, war er auch. Nur, dass der Andrea das völlig piepegal war. Nach dem Motto: Was schert mich denn so ein Rechtsruck in Deutschland? Hauptsache, meine Karriere läuft.
Und nun können sich also die Nächsten auf eine Reise ins Land des Lächelns freuen. Unter anderem voraussichtlich der Lindner. Sie meinen, der wollte doch eigentlich nicht …? Nun seien Sie mal nicht so streng mit ihm. Das lag bestimmt nur an seiner Bescheidenheit. Aber was soll er denn machen, wenn das Amt des Finanzministers und Vize-Kanzlers winken? Da muss er doch seiner Verantwortung für Deutschland nachkommen, die ihm der Wähler aufgebürdet hat. Auch wenn es noch so schwer fällt. Zumal der Schulz ja ums Verrecken nicht will.
Aber mal im Ernst: Was ist das – wieder mal – für ein unwürdiges Schauspiel? ERST wird um Posten geschachert und DANACH wird darüber gesprochen, ob und wie man sich thematisch einigen kann? Ganz egal, welche Politik gemacht werden soll und wird? Hauptsache, man kann seine Pfründe sichern? Ich meine, es ist doch kein Wunder, dass die Bürger sich unter solchen Umständen total veräppelt vorkommen und in Scharen den rechten Rattenfängern in die Arme laufen, oder?
Mal ganz abgesehen davon, dass Mutti schon verkündigt hat, dass sie keine Veranlassung dazu sieht, an ihrer Politik irgendetwas zu ändern. Äh … welche Partei hat nochmal die größten Verluste bei der Wahl eingefahren? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Frau kriegt die Klatsche ihres Lebens, die Rechten ziehen als drittstärkste Partei in den Bundestag ein. Und sie ändert – nichts! Dazu fällt mir nur noch Heinrich Heine ein: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.” Nur, dass es mir schon am Tage so geht …
Ach so, was ich noch sagen wollte: Den ersten Aufreger hat sie ja schon provoziert, die Nahles. Leider auch wieder nichts Inhaltliches. O-Ton: „Ab morgen kriegen sie in die Fresse.” Mit „sie” sind ihre ehemaligen Kabinettskollegen und die zukünftigen Minister/innen gemeint. Nett, nicht wahr?
Die Andrea hat das aber als Scherz gedacht und dabei gegrinst. Sehen Sie, genau das ist das Problem. Sie meint das nämlich wirklich nett. Als kleinen, wenn auch derben Witz eben. So wird dann wohl auch die Oppositionspolitik der SPD aussehen. Hart im Ton, aber bestimmt butterweich in der Sache. Mir wäre es umgekehrt lieber. Ihnen nicht auch? Aber da machen sie sich mal besser keine Hoffnungen.
Willkommen im Land des Lächelns – jetzt erst recht.
Denn ab morgen gibt’s in die Fresse.
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