Der exemplarische Jahresrückblick

Ich gebe zu: Eigentlich wollte ich diesmal einen kompletten Jahresrückblick bringen. Aber ich lasse es lieber, denn …

Erstens: Das macht doch jeder.

Zweitens: Wenn ich wirklich das ganze Jahr polit-satirisch hätte aufarbeiten wollen, hätte ich wieder mal das ganze Internet vollschreiben müssen. Und das wäre doch ziemlich egoistisch gewesen, oder? Dann hätten die netten Qualitätsjournalisten von Bild online gar keinen Platz mehr für ihre so freundlichen Anmerkungen zu Hartz-IV-Empfängern, Linken und Ausländern.

Und drittens, die ehrliche Version: Ich war einfach zu faul, mir das ganze Jahr nochmal vorzunehmen. Das ist aber auch gar nicht nötig. Allein schon die Nachrichten vom Dezember zeigen deutlich, wo in diesem Jahr wieder mal der Hase langgelaufen ist. Exemplarisch sozusagen. Das Schöne dabei: Man braucht die Meldungen gar nicht mehr satirisch zu kommentieren, die sprechen meist für sich. Ich tu’s aber trotzdem. Wenn ich mir schon den Großteil des Jahres spare, kann ich wenigstens ein bisschen was tun, finde ich. Und außerdem macht es Spaß! Los geht’s …

11. Dezember: Urlaubsgeld mal anders
O-Ton Tagesschau online am 11.12.2019:
„Pauschalreisende, die bei Thomas Cook gebucht haben, können aufatmen: Die Bundesregierung wird Schäden, die nicht von Versicherungen ausgeglichen werden, ersetzen. Das könnte Hunderte Millionen Euro kosten.”

Mit anderen Worten:
Alle Steuerzahler sollen dafür aufkommen, dass

  1. manche Bürger um ihr Urlaubsvergnügen gebracht wurden, aber nicht auf den Kosten sitzen bleiben sollen, weil
  2. die Bundesregierung über Jahre zu feige (oder bequem oder abhängig, suchen Sie sich etwas aus) war, die Reiseveranstalter zu einer eigentlich längst notwendigen Erhöhung der Ausfallversicherungssummen zu verpflichten.

Aber was soll’s, jeder hilft doch gern und wo er kann. Vor allem diejenigen, die sich selbst gar keinen Urlaub leisten können.

14. Dezember: Nuller geht’s nicht
Bundesfinanzminister und schwarze Null Olaf Scholz verkündet stolz und voller Inbrunst seine Finanztransaktionssteuer – die genau das Gegenteil von dem bewirken dürfte, was eigentlich damit einmal beabsichtigt war. Statt Finanzspekulationen einzudämmen, wird die neue Steuer Großanleger noch stärker in hochspekulative Anlageformen treiben. Heißt auch: Leute, die es sich leisten könnten, sie zu zahlen, kommen um die Finanztransaktionssteuer herum, die anderen nicht. Tja, der „Sozialdemokrat” Scholz ist halt noch schwärzer als seine eigene Null.

Die jüngeren unter den Lesern werden es sich zwar nicht vorstellen können, aber früher war das Wort „Umverteilung” mal ein linkspolitisch besetzter Begriff und bedeutete: Verteilung von oben nach unten.

17. Dezember: Viel Feind Freund, viel Ehr’
Die USA belegen das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland mit Sanktionen, und zwar per Gesetz. Angeblich fürchten sie eine deutsche Versorgungsabhängigkeit vom „Feind”. Seltsam nur, dass eben dieser Feind der drittgrößte Öllieferant der USA ist. Klare Sache, unsere „Freunde” wollen uns lieber selbst das Geld aus der Tasche ziehen. Und zwar mit ihrem – viel teureren – Fracking-Gas. Wie heißt es so schön: Wer solche Freunde hat, …

18. Dezember: Angie und Andi = A-A made in Germany
Andreas Scheuer, von Beruf Bundesverkehrsminister-Laiendarsteller, wird uns Steuerzahler durch Inkompetenz und Mauschelei wahrscheinlich 500 Mio. Euro kosten. Die Angie findet: „Andi Scheuer macht eine sehr gute Arbeit.” Ich finde: Das kann doch nur „Die versteckte Kamera” sein.

20. Dezember: Uschis Handy
Es wird bekannt, dass Daten, die zur Aufklärung in der Berater-Affäre von der Leyens als Verteidigungsministerin hätten beitragen können, von ihrem Handy gelöscht wurden. Nun ja, wo „Bundesministerium” draufsteht, ist häufig Dilettantismus drin. Soviel zur gutgläubigen Interpretation der Angelegenheit …

20. Dezember: Noch mehr Dilettantismus
Wegen eines Formfehlers wird die Mietpreisbremse in Niedersachsen gerichtlich für ungültig erklärt. Ein Sprecher des Bauministeriums erläutert daraufhin: Der Fehler sei bekannt gewesen. Man habe allerdings gehofft, er würde niemandem auffallen. Sagen Sie, was Sie wollen, ehrlich ist der Mann jedenfalls. Oder ist er einfach nur blöd? Wahrscheinlich kommt es darauf an, wen man fragt. Ich frage mich: Wie viele versteckte Kameras gibt es hierzulande eigentlich?

Und natürlich … der Klimawandel
Das Thema des Jahres darf natürlich bei keinem Rückblick, der etwas auf sich hält, fehlen.
Zur Postwurfsendung der Bundesregierung, auch Klimapaket genannt, hatte ich mich an anderer Stelle schon geäußert. Deshalb hier mal der Blick in ein anderes Land:
Die rechtskonservative Regierung in Australien leugnet nicht nur den menschengemachten Klimawandel, sondern überlegt sogar, Proteste von Klimaaktivisten generell zu verbieten.
So gesehen können wir unserem eigenen politischen Personal doch richtig dankbar sein, oder nicht?

Zu guter Letzt: Ausblick auf 2020
Soweit zu 2019. Doch was kommt 2020? Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, ich jedenfalls brauche nach diesem Jahresrückblick dringend eine positive Aussicht fürs nächste Jahr. Die lieferte mir denn auch prompt ein Lied von Udo Lindenberg, heute morgen im Radio, passgenau und wie gerufen mit dem Motto: Komm’, wir zieh’n in den Frieden!

Ich zieh’ mit, Sie auch?

 

– – –