Er kann es einfach nicht, der Schulz, oder? Ich frage mich – und Sie: Hat er seit seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden überhaupt schon eine einzige richtige strategische Entscheidung getroffen? So was erwartet man doch schließlich von einem Parteivorsitzenden. Dass er die Richtung vorgibt sowieso. Aber auch, dass die dann stimmt. Manchmal wenigstens. Ich meine, er musste mit Amtsantritt ja nicht gleich der neue Messias werden.
Obwohl … wenn man von 100 (in Worten: Hundert!) Prozent der Parteitagsdelegierten gewählt wird, dann muss man schon damit rechnen, dass die Leute eine Art Superman-Kräfte von einem erwarten. Auch wenn man aus Würselen kommt.
Wahrscheinlich dachte der Schulz damals selbst, er sei ein Held aus einem Marvel-Comic. Wie ist es sonst zu erklären, dass er sich zu der wahnwitzigen Ansage verstieg: „Ich will der nächste Bundeskanzler werden!” Ok, wollen kann man viel. Aber diese Aussage wirkte damals so, als hätte er die falschen Pilze gegessen oder eine spezielle Zigarette geraucht. Oder beides zugleich.
Nun ja, dieser Anspruch hat sich dann ja auch ziemlich schnell, sagen wir mal, relativiert. Und warum? Vor allem, weil sich die SPD unter Martin Schulz im Wahlkampf (oder was man hierzulande inzwischen so nennt) nicht von der Agenda 2010 und anderem neoliberalen Gedankengut distanziert hat. Und offenbar gedacht hat, der Wähler nimmt die großspurig angekündigte soziale Neuausrichtung der SPD trotzdem für bare Münze. Was für eine grandiose Fehleinschätzung!
Das hat der SPD dann ja auch prompt sage und schreibe unheimliche 20,5% der Wählerstimmen eingebracht. Fazit: Superman Schulz hatte sich und seiner Partei mit dieser „Strategie” sozusagen selbst eine Kryptonit*-Kur verordnet.
Kaum hatte er das sensationelle Wahlergebnis eingefahren, saß Schulz bereits dem nächsten Irrtum auf. Schon am Wahlabend erklärte er die SPD für abgewählt. Der Weg in die Opposition sei der einzig mögliche. Sein offensichtliches Kalkül: Union, FDP und Grüne sollten sich in einer Jamaika-Koalition langsam aufreiben. Bis dahin wollte er das leck geschlagene SPD-Schiff wieder flott machen und sodann die gegnerische Fregatte kapern. So weit, so gut.
Dumm für ihn allerdings, dass Jamaika nicht zustande kommt. Und dumm von ihm, dass er keinen Plan B in der Tasche hatte. Tja, zu strategischem Denken gehört eben auch eine Portion Weitsicht. Kryptonit ist da auch keine Ausrede mehr, finde ich.
Zu komisch auch, wie der SPD-Vorstand nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen immer noch trotzig den Eintritt in eine erneute große Koalition ablehnte. Wahrscheinlich hatte der Schulz den anderen etwas von seinen Pilzen abgegeben. Aber wie ich bereits vorhergesagt hatte, hat Parteifreund Steinmeier ihn dann doch auf Linie gebracht. Außerdem weht dem Martin ein zunehmend rauer Wind aus den eigenen Reihen entgegen. Klar, nicht nur die Seeheimer wollen auch in Zukunft ihre Kumpel in der Wirtschaft mit Geschenken verwöhnen. Das geht bei Regierungsbeteiligung natürlich viel besser.
Und siehe da: Jetzt schließt Schulz plötzlich nichts mehr aus. Auch die GroKo nicht. Bisher der große Tonangeber, will er allerdings die Parteimitglieder darüber abstimmen lassen. Tja, strategisches Denken Fehlanzeige. Aber taktieren, das kann er. Vor allem, wenn es darum geht, am eigenen Sessel kleben zu bleiben. Mit der Befragung der Mitglieder hat er nämlich zunächst einmal die Gefahr abgewehrt, von einem oder mehreren der Parteioberen den Dolch in den Rücken zu bekommen. Schulz glaubt, sich hinter dem Votum der Mitglieder verstecken zu können. Ich glaube, das nützt ihm nichts. Und das wird dann seine letzte Fehleinschätzung als Parteivorsitzender sein. Er kann es eben einfach nicht.
Bleibt nur noch die Frage, wer ihn zuerst frisst:
Die eigene Partei oder das GroKodil.
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*Für alle, die sich mit Superman nicht so gut auskennen: Kommt er mit dem Element Kryptonit in Berührung, verliert er seine Superkräfte.
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