Diese Forderung ist wahrlich nicht neu. Und wird auch von vielen Seiten geäußert. Kein Wunder. Der Zustand unserer Straßen ist neben den maroden Schulgebäuden wohl das plastischste Beispiel für den deutschen Investitionsrückstand, den uns die neoliberale, natürlich total alternativlose Schwarze-Null-Finanzpolitik von Merkel, Schäuble und Co. eingebrockt hat. Man sollte deshalb meinen, dass die Forderung nach besseren Straßen eine ganz legitime und auch harmlose Sache ist. Doch weit gefehlt! Denn:
„NATO will bessere Straßen”
So sagt es heute eine Schlagzeile in meiner Tageszeitung. Unglaublich! Wer hätte gedacht, dass die Befürworter einer expansiveren Investitionspolitik gerade von dieser Seite Rückendeckung bekommen würden?
Also, ich kann ja nur für mich selbst sprechen. Und ich weiß wirklich nicht, ob ich mich über diese Unterstützung freuen soll. Vor allem, wenn ich mir ansehe, welchen verbalen Sondermüll NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in diesem Zusammenhang sonst noch so abgeladen hat. Da wünscht man sich doch gleich, dass die Suche nach einem Endlager schon erfolgreich gewesen wäre. Um das klarzustellen: Für den Sondermüll, nicht den Stoltenberg an sich. Diese Zeiten sind ja glücklicherweise vorbei in Deutschland.
Allerdings verlangt er nicht nur von staatlicher Seite, nein, auch von der Privatwirtschaft „eine stärkere Beteiligung an den Bemühungen um eine verstärkte Abschreckung gegenüber Russland”. Und spätestens jetzt fühle ich mich doch irgendwie an eine ganz dunkle Phase der neueren deutschen Geschichte erinnert. Auch wenn Stoltenberg das Ganze auf die Mobilität des Militärs begrenzt, also auf Flughäfen, Straßen- und Schienennetze: Ein etwas mulmiges Gefühl bleibt zurück.
Schon allein deshalb, weil es zeigt: Das Thema Aufrüstung ist wieder ganz alltäglich und vor allem gesellschaftsfähig geworden. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, fordert Herr Stoltenberg doch, den Rüstungsaufbau wieder in die Zivilgesellschaft zu tragen und ihn dort zu etablieren.
Offenbar muss dringend „die Verteidigungsfähigkeit der NATO weiter gestärkt werden”. Denn die Mobilität des Militärs sei maßgeblich für die Verteidigung des Bündnisses. Da frage ich mich unwillkürlich: Stärkung der Verteidigungsfähigkeit? Gegen wen denn? Nun macht doch mal halblang und hört bitte damit auf, uns einzureden, der Russe stehe vor der Tür! Ich meine: Abschreckung gegenüber Russland? Hat der Stoltenberg mal die Höhe der Verteidigungshaushalte von NATO-Staaten und Russland miteinander verglichen? Kennen sollte er die Zahlen ja: Die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben im Jahr 2016 zusammen etwa 750 Milliarden Dollar für die Rüstung ausgegeben. Russland: 69,2 Milliarden. Und nur mal so in den Raum geworfen: Russland hat weltweit etwa 20 Militärbasen, die USA (also ein Mitglied der NATO) dagegen an die 1.000.
Mehr muss ich wohl nicht sagen. Oder wollen Sie noch etwas über die Zahl der militärischen Völkerrechtsverletzungen (oder wenigstens deren Duldung) hüben wie drüben wissen? Ich glaube, das führt jetzt zu weit. Nur so viel: Der böse Putin würde bei einem solchen Vergleich nicht so schlecht abschneiden, wie Sie es vielleicht erwartet hätten.
Aber etwas Gutes hätte es ja doch. Wenn Stoltenbergs, sagen wir mal, Hinweise Beachtung fänden. Wir bekämen schöne, neue Straßen. Sogar panzertaugliche! Die brauchen wir ohnehin. Für die zunehmende Zahl der Zivilpanzer auf unseren Straßen, auch SUV genannt.
Und das Beste: Die Kosten für diese Infrastrukturmaßnahmen würden dann als Rüstungsausgaben gelten. Oder nicht? In dem Falle wäre sogar ich für eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts.
Sie meinen, ich soll nicht übermütig werden?
Ich meine: Die Hoffnung stirbt zuletzt …
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