Heimat – diesen Begriff haben plötzlich alle für sich entdeckt. Über die Parteigrenzen hinweg. Jedenfalls im bürgerlichen Lager. Sogar die Grünen reden jetzt davon. Aber die sind ja inzwischen auch schon dort angekommen, im bürgerlichen Lager, oder?
Ich meine, gegen den Begriff Heimat ist grundsätzlich nichts zu sagen. Es kommt eben darauf an, wie man ihn definiert. Und vor allem, in welchem Zusammenhang man ihn verwendet.
Aber warum passiert das gerade jetzt? Mal überlegen … Könnte das vielleicht etwas mit dem Ergebnis der AfD bei der Bundestagswahl zu tun haben? So ein kleines bisschen und ganz eventuell? Möglich wär’s, oder? Nur, dass es natürlich keiner zugibt. Andererseits waren sich schon am Wahlabend alle einig, dass man die Wähler von der AfD zurückgewinnen müsse. Und nun fängt man gleich mal damit an. Sie wissen schon, die rechte Flanke schließen und so. Ob das der richtige Weg ist? Hm …
Aber wenn ich dem gestrigen Leitartikel meiner geschätzten Tageszeitung Glauben schenken darf, besser gesagt seiner Autorin, dann liegt die inflationäre Verwendung des Wortes Heimat an etwas ganz anderem. An der Globalisierung nämlich. Die ist ja schließlich an allem Schuld. Wofür die schon alles herhalten musste! Und jetzt eben für die aktuelle „Heimatelei”. Es würde mich nicht wundern, wenn man ihr bald auch das schlechte Wetter in die Schuhe schieben würde.
Aber ich schweife mal wieder ab. Zum Thema:
In bewusstem Leitartikel wird auch von den „Zumutungen” gesprochen, welche die böse Globalisierung mit sich bringe. Und deswegen sehnten sich viele Menschen nach Vertraut- und Geborgenheit. Nach Heimat eben. Zwei dieser Zumutungen werden auch gleich genannt: Die Krisen und die Kriege auf der Welt.
Wenn ich das lese, geht mir so was von der Hut hoch! Das ist wieder mal typisch. Typisch für den heutigen kritischen „Qualitätsjournalismus”. Anstatt Ross und Reiter zu nennen, wird die Verantwortung für den Zustand – besser: die Zustände – auf der Welt einem nebulösen, völlig verschwommenen Konstrukt zugeschoben. Globalisierung – was ist das überhaupt genau? Manchmal glaube ich, dieses Wort haben sich neoliberalistische Hardliner ausgedacht, als Ablenkungsmanöver sozusagen. Wenn, dann war das ein voller Erfolg. Was den Wirkungsgrad angeht, kann sich jeder islamistische Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürtel oder rasendem LKW davon jedenfalls noch eine Scheibe abschneiden.
Also: Überlegen wir doch mal etwas genauer. Die jetzigen Zustände in Deutschland und der Welt sind wohl kaum einfach so vom Himmel gefallen. Es sei denn, Sie glauben an einen Gott mit Namen „Global”, der sie zu uns runtergeschmissen hat. Nein, sie wurden von Menschen herbeigeführt. Und zwar bewusst und keinesfalls alternativlos, wie uns Angela die Ewige seit vielen Jahren immer wieder weismachen will.
Wenn es also Kriege auf der Welt gibt, dann liegt das doch nicht an „der Globalisierung”, sondern daran, dass es Menschen (Waffenhersteller etc.) gibt, die damit Geld verdienen können. Und an anderen (Politiker etc.), die das zulassen. Und wenn hier in Deutschland die soziale Kälte einzieht und viele Leute nicht mehr von einem sozialversicherungspflichtigen Job leben können, ist das genauso.
Natürlich sehnen sich die Menschen nach Geborgenheit und Vertrautheit. Da hat die Autorin des Leitartikels schon recht. Und vielleicht tun sie das auch mehr als früher. Weil die Welt so ist, wie sie ist. Doch sie ist nicht einfach wegen der Globalisierung so. Sondern wegen unseres Umgangs mit eben dieser Globalisierung. Aber warum gehen wir damit so um, dass sich viele Menschen dabei unbehaglich fühlen? Dass es einige Gewinner und so viele Verlierer gibt? Das wären spannende Fragen, finden Sie nicht auch? Aber soweit in die Tiefe geht der bewusste Artikel gar nicht mehr.
Es ist halt immer das Gleiche:
Globalisierungs„wahn” statt kritischer Ursachenanalyse.
Ist ja auch herrlich bequem, nicht wahr?
Und zwar für alle Beteiligten.
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