Arbeiten für den Staat

Nein, dies soll kein Karriereratgeber für Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden. Genau genommen geht es nicht mal darum, für den Staat tätig zu sein. Obwohl, eigentlich arbeiten wir ja alle für den Staat. Ja, auch Sie! Jedenfalls, wenn man einer aktuellen Schlagzeile glaubt. Verwirrt? Na dann mal der Reihe nach.

Was musste ich heute Morgen in der Zeitung lesen?

„Heimliche Steuererhöhung”

Unterzeile:

“Belastung so hoch wie noch nie: Rein rechnerisch haben die Bürger bis zum heutigen Tag allein für den Staat gearbeitet”.

Mein erster Gedanke war: Bei einer derartigen Aussage kann eine bestimmte Organisation nicht weit sein. Sie ahnen schon, welche ich meine? Richtig: Gleich im ersten Absatz tauchten sie dann auch auf, die Rächer der Enterbten, die selbst ernannten Kämpfer gegen die ungerechte, fiese Abzocke des Staates. Der Bund der Steuerzahler. Der in Wirklichkeit natürlich eher ein Sprachrohr der Besserverdiener und Arbeitgeber ist. Der uns das neoliberale Gedankengut schmackhaft machen möchte. Und das unter dem Deckmäntelchen, Gutes für den Bürger tun zu wollen, indem man ihm regelmäßig einredet, er zahle zu viele Steuern und Abgaben.

In seinem neuesten „Belastungscheck 2017” rechnet uns der Steuerzahlerbund vor, dass wir bis zum 19. Juli um 3.27 Uhr nur für den Staat gearbeitet haben. O-Ton: „Das gesamte Einkommen, das die Steuer- und Beitragszahler vor diesem Datum erwirtschaftet haben, wurde rein rechnerisch an den Staat abgeführt.” Wow! Das muss ich erstmal sacken lassen! Diese Rechenkünste, fantastisch! Andererseits frage ich mich auch unwillkürlich: Haben die nichts Besseres zu tun?

Immerhin haben sie es geschafft. Ich bin empört. Allerdings wohl nicht so, wie sie es geplant hatten. Sorry, Leute…

Bei mir kommt nämlich die Empörung, besser gesagt die Galle hoch, weil dieser Steuerzahlerbund wieder mal versucht, die Öffentlichkeit zu manipulieren, und zwar auf übelste Art und Weise. Und ich frage mich: Für wie blöd halten die mich eigentlich? Und wenn das jetzt so wirkt, als wäre ich persönlich beleidigt, dann sage ich deutlich: Stimmt!

Nehmen wir nur mal die oben zitierte Aussage. Wunderbar wird dort alles über einen Kamm geschert. Denn gemeint sind natürlich nicht nur Steuern und Abgaben an den Staat, sondern auch Beiträge für die Sozialversicherung. Aber so eine wichtige Unterscheidung kann ja vernachlässigt werden. Hauptsache, man kann den „Staat” als gieriges, alles verschlingendes Monster diffamieren, das nie genug bekommt.

Apropos „bekommen”. Da sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt. Klar, wir müssen zahlen, und das bisweilen nicht zu knapp. Aber bekommen wir nicht etwas für unser Geld? Ich meine, schmeißen wir es in irgendein schwarzes Loch, oder was? Und auch klar, man kann immer darüber streiten, ob es für die richtigen Dinge ausgegeben wird. Dass das in diesem unseren Lande nicht unbedingt der Fall ist, ist ja auch unübersehbar.
Doch solche Aussagen wie die vom Bund der Steuerzahler suggerieren, dass unser Geld weg ist, einfach so. Nach dem Motto: Vater Staat macht sich jetzt ein schönes Leben damit. Wenn das so ist, warum präsentiert uns dann unser Arzt – in der Regel – keine Rechnung? Warum müssen wir den Schulbesuch unserer Kinder nicht bezahlen? Warum gibt es keine Autobahngebühren?

Obwohl, das mit den freien Autobahnen hat sich ja bald erledigt. Wenn die erstmal privatisiert sind, arbeiten wir alle nicht mehr nur für den Staat. Wir arbeiten dann auch für die Autobahnbetreiber. Und die Gebühren dafür kommen noch obendrauf. Doch beim „Belastungscheck 2025” des Steuerzahlerbundes werden die bestimmt nicht berücksichtigt. Wetten? Schließlich zahlen wir das ja nicht an „den Staat”. Dass der uns diese Gebühren eingebrockt haben wird – geschenkt. Danach kräht dann ohnehin kein Hahn mehr …

 

– – –