Ach, Andrea!

Sie kann es einfach nicht, oder?
Ich glaube, ich hab’ ein Déjà-vu. Dasselbe habe ich nämlich schon mal geschrieben. Und zwar vor fast genau einem Jahr. Allerdings nicht über die Nahles, sondern über Martin Schulz.

Und jetzt muss ich es schon wieder tun. Aber was soll ich machen? Kann ich etwas dafür, dass es die SPD nicht schafft, vernünftiges Führungspersonal zu wählen? Okay, ich weiß, was Sie jetzt denken. Und Sie haben recht: Wo sollten die auch ordentliche Leute herkriegen? Gutes Personal ist heutzutage eben schwer zu finden. Fragen Sie mal die Arbeitgeber. Fachkräftemangel an allen Ecken und Enden. Warum also sollte der gerade vor den Leuten Halt machen, die ihn immer wieder heraufbeschwören?

Aber zurück zum Thema:
Ach, Andrea! Jetzt machst Du endlich mal einen Vorschlag, wie Ihr das verhasste Erbgut Hartz IV loswerden könnt, und schon prügeln wieder alle auf Dich ein. Du Arme!

Nicht, dass Sie auf falsche Gedanken kommen: Ich will die Nahles hier wirklich nicht verteidigen. Denn wie gesagt: Sie kann es einfach nicht. Schließlich hatte sie lange Monate Zeit, ganz in Ruhe über einen Kurswechsel nachzudenken. Und ein schlüssiges Konzept zu erarbeiten – oder erarbeiten zu lassen. Eins mit Hand und Fuß, will sagen: durchgerechnet, mit Fakten und Zahlen. Und vor allem nicht nur zu Hartz IV, sondern das Konzept einer umfassenden politischen Richtungsänderung für Deutschland.

Ach, Andrea! Stattdessen wartest Du ab, bis die einst so glorreiche deutsche Sozialdemokratie sogar mit der Lupe kaum noch zu finden ist. Und stellst Dich dann mit einem panisch-hektisch-unausgegorenen Vorschlag zu einem einzigen Thema vor die Presse. Und meinst offenbar allen Ernstes, die Leute nähmen Dir ab, dass die SPD-Führung damit ihrem neoliberalen Glauben abgeschworen habe.

Tja, das war ja wohl nix. Dass in bestimmten Kreisen sofort die angeborenen Beißreflexe ausgelöst werden würden, wenn von Hartz-IV-Abschaffung und Bürgergeld die Rede ist, und davon, dass man mehr fördern und gar nicht mehr fordern wolle, das war klar. Also bei der Union, bei der FDP und natürlich den armen, gebeutelten Arbeitgebern.

Aber selbst die eigene Partei schießt ja gegen die Nahles. Der Weil zum Beispiel, seines Zeichens Ministerpräsident von Niedersachsen. Nun ja. Das überrascht mich nicht. Bei dem habe ich ohnehin häufig den Verdacht, er ist in der falschen Partei.

Nicht so lustig fand ich dann, was heute Morgen sonst noch zu diesem Thema in meiner Zeitung stand. Weswegen ich zugegebenermaßen zunächst wegen akuter Schnappatmung nicht mehr weiterlesen konnte. Es wurde nämlich ein Herr Uwe Schwarz zitiert. Angeblich Sozialexperte der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion. Warum „angeblich”? Nun, Zitat des Herrn Schwarz: „Ich erwarte schon eine Gegenleistung, wenn man Transferleistungen erhält.”

Obwohl ich es ungern tue, glauben Sie mir, muss ich bei sowas wirklich mal den Volkswirt rauskehren. Denn als solcher weiß ich: Transferleistungen sind grundsätzlich staatliche Leistungen ohne Gegenleistung.

Als „Sozialexperte” sollte Herr Schwarz das eigentlich auch wissen. Oder sieht der das Kinderkriegen als Gegenleistung fürs Kindergeld an? Hm … das könnte man ja fast noch durchgehen lassen. Aber wie sieht es zum Beispiel beim Wohngeld aus? Oder beim Blindengeld. Für dessen Erhöhung eben jener Herr Schwarz 2016 vehement eingetreten ist. Übrigens ganz ohne eine Gegenleistung zu fordern. Komisch.

Merke: Behindert ist man ohne eigenes Verschulden, die faulen Hartz-IV-Empfänger dagegen haben sich ihre Misere grundsätzlich selbst zuzuschreiben. Die sollen also gefälligst etwas dafür tun, wenn sie Kohle vom Staat haben wollen. Da fällt mir ein: Ist das Kinderkriegen meist nicht auch selbst „verschuldet”?

Der Mann ist übrigens nicht nur Mitglied in der SPD, sondern auch bei der Arbeiterwohlfahrt. Also, als Sozialverband wäre mir der ziemlich peinlich. Ich hoffe für die AWO, da gibt es nicht noch mehr solche „Experten”.

Allerdings bin ich mir sicher: Äußerungen wie die des Herrn Schwarz kommen der politischen und sonstigen Elite unseres Landes garantiert sehr gelegen. Vor allem, dass solche Botschaften auch in der Zeitung stehen. Man muss sie nur oft genug wiederholen. Irgendwann ist es dann beim gemeinen Bürger angekommen: „Wenn Du als Bedürftiger Geld vom Staat willst, musst Du eine Gegenleistung erbringen.” Lernen durch Wiederholung, listen and repeat!

Es kann ja nicht jeder ein Volkswirt sein. Und das ist auch gut so, glauben Sie mir. Ich kenne mich da aus.

 

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